Neue Tendenzen in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften

Pathographie und Poetologie. Literarische Reflexionen der Transplantationsmedizin

Dienstag, 25.02.2014, 14:15 Uhr

PD Dr. Irmela Marei Krüger-Fürhoff, ZfL Berlin

Öffentliche Gastvorträge zu innovativen Forschungsthemen in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften, insbesondere solche, die Brücken zu den Natur- und Technikwissenschaften, der Medizin sowie den medien-, wirtschafts-, politik- und rechtswissenschaftlichen Disziplinen schlagen.

Veranstaltende: Interdisciplinary Cultural Studies | Graduate School of the Humanities | Walter Benjamin Kolleg
Redner, Rednerin: PD Dr. Irmela Marei Krüger-Fürhoff, ZfL Berlin
Datum: 25.02.2014
Uhrzeit: 14:15 - 15:45 Uhr
Ort: Raum A-119
UniS
Schanzeneckstrasse 1
3012 Bern
Merkmale: Öffentlich
kostenlos

Die jüngere Literaturwissenschaft und Autobiographieforschung, aber auch Medizinethnologie und Medizinsoziologie beschäftigen sich intensiv mit dem Genre der „Pathographie“, also mit (auto-)biographischen Texten, die individuelle Erfahrungen mit Krankheit, Therapie, Genesung oder Sterben in den Mittelpunkt stellen. Dabei werden individuelle und gesellschaftliche Funktionen von Pathographien (Stabilisierung der eigenen Identität, Ergänzung der ‚schulmedizinischen‘ Sicht um eine ‚Patientenperspektive‘) ebenso analysiert wie wiederkehrende Erzählschemata und Metaphern. Dass Transplantationen innerhalb dieser Untersuchungen von ,literarischen Krankheitsgeschichten‘ bislang kaum beachtet werden, mag daran liegen, dass die Entnahme eines geschädigten Organs und seine Ersetzung durch ein Spenderorgan immunologische, körpertheoretische, identitätspolitische und ethische Fragen aufwerfen, die sich nicht in einem einfachen Schema von ‚Erkrankung‘ und ‚Gesundung‘ fassen lassen und entsprechend von literarischen Texten neue – möglicherweise auch poetisch spezifische – Darstellungsweisen erfordern. Der Vortrag formuliert einige grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Pathographie und Poetologie literarischer Transplantationsdarstellungen und versucht, diese für eine kursorische Lektüre von David Wagners Leben (2013) fruchtbar zu machen. Dieser Text, der das Erleben vor und nach einer Lebertransplantation aus der Perspektive eines Ich-Erzählers entfaltet, präsentiert sich zwar weder als Roman noch als autobiographisch, wird aber in Feuilleton und Öffentlichkeit durchaus so wahrgenommen. In der vorgeschlagenen Lektüre von Leben wird es u.a. um Hybridität und Imaginationen der ‚Vergemeinschaftung‘ gehen sowie um ästhetische Strategien des Zitierens.

Der Vortrag findet im Rahmen des Workshops „Literatur und Krankheit“ mit dem Schriftsteller David Wagner (Dürrenmatt-Gastprofessor FS 2014) statt. Sie können gerne auch am 2. Teil teilnehmen (16:15-17:45). Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung, dem Auftakt der "Friedrich Dürrenmatt Gastprofessur für Weltliteratur" am 24. Februar und zum Projekt allgemein finden Sie auf der Walter Benjamin Kolleg Homepage: www.wbkolleg.unibe.ch.

Irmela Marei Krüger-Fürhoff

Irmela Marei Krüger-Fürhoff ist Germanistin und Vergleichende Literaturwissenschaftlerin und seit 2010 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin. Zuvor war sie an der Freien Universität Berlin, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald und der Universität Bielefeld tätig und hat als Gastprofessorin an der University of Cincinnati und der Stanford University gelehrt. Sie forscht zur Literatur des 18. bis 21. Jahrhunderts und zu den Wechselwirkungen zwischen Literatur, Ästhetik, Medizin und Wissensgeschichte. Zu ihren Buchveröffentlichungen gehören: Der versehrte Körper. Revisionen des klassizistischen Schönheitsideals (2001), Askese. Geschlecht und Geschichte der Selbstdisziplinierung (Mitherausgeberin, 2004), Engineering Life. Narrationen vom Menschen in Biomedizin, Kultur und Literatur (Mitherausgeberin, 2008) und Verpflanzungsgebiete. Wissenskulturen und Poetik der Transplantation (2012).